Umzug ins moderne Eigenheim – von Menschen und Echsen

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Karl der Käfer wurde nicht gefragt, man hatte ihn einfach fortgejagt…“ sang 1983 die Gruppe „Gänsehaut“. Auch wenn sich in Sachen Natur- und Artenschutz gegenüber
damals einiges verbessert hat, muss Karl auch heute noch meist weichen, wenn neue Baugebiete und Straßen gebaut werden – es sei denn, er ist ein Heldbock, ein Alpenbock, ein Hirschkäfer oder ein anderer streng geschützter Käfer. Dann hat er eine kleine Chance, dass sein Lebensraum erhalten bleibt. Meistens jedoch ist das nicht der Fall. Stattdessen versucht man Karl ein anderes Gebiet schmackhaft zu machen. Wenn er nicht freiwillig umzieht, muss nachgeholfen werden. Kurt und Klaus, Karls nicht streng geschützte Käferkollegen, können ohnehin nur hoffen, dass bei der Neugestaltung von Karls neuem Lebensraum auch für sie ein geeignetes Plätzchen entsteht.  

Aber nun zum eigentlichen Thema: Dem Umgang mit streng geschützten einheimischen Reptilienarten bei Bauvorhaben und anderen Eingriffen (Text von Rebecca Fies).

Die heimischen Reptilienarten Zaun- und Mauereidechse (Lacerta agilis und Podarcis muralis) unterliegen nach § 44 des BNatSchG dem strengen Artenschutz. Das bedeutet, dass ihre Fortpflanzungs- oder Ruhestätten nicht beschädigt oder zerstört werden dürfen.

 
Mauereidechse (Podarcis muralis)

Diese Arten sind als typische Kulturfolger vor allem durch die Zerschneidung und zunehmende Verkleinerung ihrer Lebensräume durch Straßen, Bebauung und Siedlungserweiterungen bedroht. In Baden-Württemberg können beide Arten auch in so manchen Gärten und Brachen innerhalb von Siedlungen vorkommen. Liegen Bebauungspläne für ein solches Grundstück vor, muss zunächst überprüft werden, ob es sich hier die bereits genannten heimischen Reptilienarten gemütlich gemacht haben. Wenn dies der Fall ist, gibt es gemäß dem strengen Artenschutz die Möglichkeit, durch sogenannte Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen das Tötungs- und Störungsverbot zu umgehen. Konkret bedeutet dies, die zu bebauende Fläche so unattraktiv wie möglich zu gestalten, um die Reptilien von selbst zu einem Umzug zu bewegen – die sogenannte Vergrämung. Im Vorfeld müssen die Nachbarflächen durch entsprechende Aufwertungen so gestaltet werden, dass die Eidechsen diese bevorzugen. Natürlich ist auch darauf zu achten, dass die Bauzeiten nicht in den Fortpflanzung- bzw. Überwinterungszeitraum fallen. Stehen keine geeigneten Nachbarflächen zur Verfügung, so muss, um die sogenannte „ökologische Funktion“ einer Population aufrecht zu erhalten, dafür gesorgt werden, dass diese in eine neue Umgebung gebracht wird, die allen Ansprüchen des alltäglichen Lebens einer Eidechse entspricht. Ebenso wie bei der Vergrämung müssen die neuen Flächen rechtzeitig entsprechend attraktiv gestaltet werden. Der Neubau des „Eigenheims“ ist dabei unerlässlich – in bereits geeigneten Bereichen wohnen schließlich mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits Artgenossen.

Bei der Einrichtung der neuen Unterkunft ist dabei auf die folgenden Aspekte zu achten: Eidechsen benötigen ein Winterquartier, das bedeutet frostsichere Spalten und Lücken, in welchen sie den Winter überstehen können. Hierzu werden nach entsprechenden Kriterien Steinriegel auf der Fläche ausgebracht, die frostfrei im Boden gegründet sein müssen. Zur Fortpflanzung werden besonnte, gut grabbare sandige Substrate benötigt, welche die Entwicklung der Eier zulassen – in der Fachwelt werden diese halbkreisförmigen Gebilde auch als Eidechsenfenster bezeichnet. Zur Thermoregulation benötigen Eidechsen halboffene Bereiche, die ihnen sowohl die Möglichkeit zu einem Sonnenbad als auch rasch erreichbare Versteckmöglichkeiten bieten. Dazu sollen Totholzhaufen errichtet werden. Um ein ausreichendes Nahrungsangebot zu gewährleisten, muss durch die Gestaltung entsprechender Biotope der Insektenreichtum auf der Fläche gefördert werden. So wie menschliche Behausungen benötigen auch Eidechsen-Eigenheime eine gewisse Pflege. Es muss daher zusätzlich für die folgenden Jahre sichergestellt werden, dass die Fläche regelmäßig gepflegt und die Fortpflanzungsbereiche offen, also weitgehend frei von Bewuchs, gehalten werden. So geschehen am Hochrhein, wo INULA diesen Sommer moderne Eigenheime für Zaun- und Mauereidechsen geplant hat. Diese sind bereits hergerichtet und dürfen nun „reifen“, bis im Frühjahr 2017 so viele Individuen wie möglich auf der für die Bebauung vorgesehenen Fläche eingefangen und auf die neue Fläche umgesiedelt werden. Selbstverständlich darf erst nach der Umsiedlung der Tiere in das fertige Eigenheim das alte Zauneidechsenhabitat überbaut werden. Bei einer Planung ist daher dringend zu bedenken, dass die neuen Habitate nur bezogen werden können, wenn diese bereits einge Zeit reifen konnten – mitunter kann dies mehrere Jahre dauern. In den folgenden Jahren wird dann ein Monitoring stattfinden, um sicherzustellen, dass die neue Wohnung auch angenommen wurde. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen Nachbesserungen vorgenommen werden. Wenn gewährleistet ist, dass die Arten die Fläche besiedeln und sich dort auch fortpflanzen, ist die Population als stabil zu werten und die ökologische Funktion ist gewahrt. Der Umzug ins moderne Eigenheim ist dann für Mensch und Tier geglückt.

 

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